Ich habe fast zwei Kinder im Geburtshaus geboren. Das erste nur „fast“, weil ich dann verlegt werden musste, das zweite innerhalb von 15 Minuten nach Ankunft. Hier sind meine Erfahrungen für euch:
Schon in der ersten Schwangerschaft wollte ich unbedingt das Geburtshaus kennen lernen, meine Vorstellung von Geburt war so abstrakt, aber gleichzeitig so natürlich, dass ich außerhalb des Krankenhauses gebären wollte. Ich weiß noch heute, wie ich die vielen Fragen stellen konnte, die ich hatte: zum Beispiel, ob das nicht eine Riesen-Sauerei werden würde, wenn man in diesen schönen Räumen ein Kind gebärt. Die Hebamme beim Tag der offenen Tür hat gegrinst und gesagt: „Geburt ist gar nicht so viel Blut, wie immer alle denken.“
Und dann bin ich in der ersten Schwangerschaft und auch in der zweiten Schwangerschaft immer abwechselnd bei der Frauenärztin und im Geburtshaus zur Vorsorge gewesen. Bei beiden Kindern hatte ich das Gefühl, dass die Hebammen genau das verstärken, was auch in mir war: Schwanger sein und Geburt sind nur natürliche Prozesse, und mein Körper schafft das. Und wenn es doch nicht klappen sollte, werden wir frühzeitig ins Krankenhaus verlegt. Die Vorsorgen waren liebevoll, sehr kompetent und vor allem immer ganz nah am Körper. Während die Frauenärztin mich so gut wie gar nicht berührte, tastete meine Hebamme mich ab und ich merkte selbst, wo das Baby jeweils liegt. Ich verstand meinen Körper und fühlte mich sicher. Und ich weiß noch, dass ich in der Vorsorge im Geburtshaus regelmäßig weinen musste, weil ich mich tief im Inneren berührt fühlte, wenn die Hebammen mir die richtigen Fragen gestellt haben.
Die beiden Geburten waren extrem unterschiedlich. Beim ersten Kind habe ich gearbeitet und gelitten wie ein Weltmeister. Und trotzdem kam und kam das Baby nicht. Die Hebammen halfen mir atmen, ich stieg in die Wanne und wieder raus, trank zur Stärkung Tee mit Honig und versuchte irgendwie, mit dieser Geburt zurechtzukommen. Im Rückblick denke ich, dass ich viel zu viel versucht habe, zu bestimmen, was nicht zu bestimmen ist. Der Muttermund ging einfach nicht weit genug auf. Und schließlich nach 8 Stunden hat meine Hebamme mir vorgeschlagen, ins Krankenhaus zu wechseln. Ich entschied mich für eine PDA und musste dann harte anderthalb Stunden warten, bis sie gelegt wurde. Währenddessen blieb die Hebamme aus dem Geburtshaus bei mir und half mir, den Wehenschmerz zuzulassen, hinein zu atmen. Als die Ärztin wegen der PDA endlich kam, war der Muttermund bei 9 cm. Ein verrücktes Gefühl: in der Zeit, wo ich nur am CTG „angekettet“ ausgeharrt hatte, hatte ich fast alles geschafft, was vorher stundenlang nicht ging. Trotzdem nahm ich die PDA, ich brauchte einfach eine Pause. Und die war himmlisch, das weiß ich noch: ich aß erstmal zwei Schokoriegel. Die restliche Geburt im Krankenhaus hat mich erschöpft und unfriedlich zurückgelassen: viele Interventionen, wenig Einfühlungsvermögen. Vom Geburtshaus war ich einfach sehr verwöhnt. Mein Sohn kam sechs Stunden nach dem Wechsel ins Krankenhaus zur Welt – mit einer sehr, sehr kurzen Nabelschnur. Wir haben das Krankenhaus, sobald wir konnten, verlassen. Unsere Geburtshaus-Hebamme hat uns dann zu Hause weiter betreut. Das war wie auf Wolken schön, obwohl ich durch die ungeschickten Eingriffe im Krankenhaus ein heftiges Hämatom hatte. Ich weiß noch, wie sie mir half, das Baby richtig anzulegen, wie sie Retterspitz und Stillhütchen mitbrachte, und so sanft und kompetent mit dem Baby umging, dass ich weinen musste.
Es war ein unglaublich schönes, ruhiges Wochenbett.
Beim zweiten Kind hab ich schon im ersten Drittel der Schwangerschaft die Geburt im Geburtshaus angemeldet. Ich war sicher: hier will ich wieder den größten Teil der Geburt verbringen, auch wenn ich vielleicht wieder verlegt werden muss. Die Hebammen haben sich gefreut, uns wiederzusehen – es ist dort wie nach Hause kommen. Alles fühlt sich richtig an. Die Vorsorgen liefen wie beim ersten Kind ab, aber die Vorbereitung war eine ganz andere und noch viel tiefere. Wenn du schon einmal geboren hast, denkst du anders über deine neue Geburt nach. Die Hebammen und ich haben viel miteinander darüber gesprochen, was ich von der zweiten Geburt denke, erhoffe und realistisch erwarte. Sie haben mich ermutigt, bestärkt, und meine traurigen Erfahrungen aus dem Krankenhaus tröstend eingeordnet. Und sie fragten, wie ich mich auf die Geburt vorbereite. Da habe ich gesagt: „Gar nicht. Ich habe vor, mich mit einem Wärmekissen auf die Seite zu legen und auszuhalten, bis es nicht mehr geht.“ Mein Credo war „ich gebe mich hin.“
Die Geburt war unfassbar gut. Nachts um halb eins bekam ich leichte Wehen, um halb zwei haben wir die Hebamme und die Patentante angerufen. Unsere Freundin kam und legte sich ins Gästezimmer schlafen, damit sie sich um unseren ersten Sohn kümmern konnte, falls wir spontan aufbrechen. Hebamme Bea hatte Dienst und sagte nur: „Leg dich ruhig noch mal hin, das klingt noch nicht so wild.“ So hab ich es gemacht, Wärmekissen, auf die Seite, und Atmen. Ab 4 Uhr musste mein Mann meine Hand halten, und mir einen kalten Waschlappen auf die Stirn drücken, um halb fünf hab ich vor Überforderung geheult und er hat Bea wieder angerufen. Sie sagte: „Ich hole euch ab.“ Dass sie dann aber wegen Nebel fast eine Stunde zu uns brauchte, hatte niemand auf dem Schirm.
Ich weiß noch, wie sie gegen sechs bei uns im 3. Stock ankommt, mich lobt und ermutigt. Sie untersucht mich und sagt schlicht: „Das Baby kann jetzt kommen, wir müssen los.“ Beim Aufstehen rutscht ein Schwall aus mir raus und ich denke oder rufe: „Das Baby kommt.“ Bea und ich gehen eilig die Treppen runter zum Auto. Mein Mann schnappt den Geburtsrucksack, sagt der Patentante Bescheid. Er braucht eine gefühlte Ewigkeit. Ich habe das Gefühl, das Baby kommt jeden Moment. Wir rasen durch die dunkle Stadt. Bea ist so ruhig wie selten. Am Geburtshaus angekommen renne ich einfach hoch, Bea legt mir eine Matte vor das Bett. Ich knie mich hin, halte mich am Bett und Ehemann fest und erlebe unglaublich intensive Minuten. Das kleine Wunder kommt nach 15 Minuten gelassen und schnell zur Welt. Ich kann es kaum glauben, bin überwältigt. Bea und Kathrin, die nun auch da ist, waschen mich mit warmen Lappen ab und kuscheln mich mit Baby und Mann ins Bett. Da liegen wir. Die Sonne geht auf, der Kirchturm gegenüber schlägt 7 Uhr. Irgendwann kommen die Hebammen mit einem quietschenden Teewagen, auf dem eine Kerze brennt, dort stehen Stollen mit Butter und selbstgemachter Marmelade, Käsebrote und Kaffee. Es ist unglaublich romantisch.
Gegen zwölf Uhr fährt Bea uns wieder nach Hause. Ich sitze im Auto, schaue an mir herunter und sage: „Ich habe ihn geboren, Ich.“ Und ich habe keine Einstiche von Spritzen, kein Hämatom, ich fühle mich einfach nur gut.
Geburt ist etwas sehr Natürliches. Das Geburtshaus hat mich in Bezug auf die erste interventionsreiche Geburt im Krankenhaus wieder heil gemacht: ich kann gebären. Und zwar ziemlich gut.
Eltern von Justus und Elias