Im Januar 2019 hielt ich den positiven Schwangerschaftstest in der Hand und freute mich unglaublich – unser zweites Kind sollte auf die Welt kommen! Unseren Sohn hatte ich in einem großen Krankenhaus in Münster geboren und obwohl diese Geburt durch medikamentöse Einleitung (ET + 10) und diversen Eingriffen recht invasiv war, konnte ich mich noch an diese unglaubliche Selbstwirksamkeit und Stärke erinnern, die ich empfand als er da war. Da ich aber wusste, dass wir nur aus Glück (alle OPs voll) an diesem Tag noch natürlich entbunden haben, wollte ich für die zweite Geburt eine weniger invasive haben.
Nach dieser Entscheidung rief ich im Geburtshaus an (wenn mir jemand vor der Geburt meines Sohnes erzählt hätte, dass ich mal außerklinisch entbinden will, hätte ich es nicht geglaubt). Zum Glück konnte ich noch einen Besichtigungstermin ausmachen und es gab noch wenige Plätze für den Entbindungsmonat September. Dort angekommen wurden mein Mann und ich von Miriam und Marie durch das Geburtshaus geführt – und als wir rausgingen, schauten wir uns nur an und wussten: „Ja, wir probieren das hier.“ Wenn alle Stricke reißen, wäre es für uns auch kein absolutes Drama gewesen doch im Krankenhaus zu entbinden – aber wenn medizinisch alles gut aussieht, wollten wir das Abenteuer (wie wir es empfanden) wagen.
Die (Früh-)Schwangerschaft war recht anstrengend, war sie doch durch sehr starkes Erbrechen und Übelkeit geprägt, sodass ich viele Termine anfangs bei meiner Ärztin wahrnahm und zeitweise im Krankenhaus lag. Mit Beginn der 20. Schwangerschaftswoche wurde dies sehr viel besser und ich hatte wieder Energie und begann mit den Vorsorgen im Geburtshaus. Dabei lernte ich alle Hebammen kennen und fühlte mich immer gut aufgehoben – meist ging ich sehr beflügelt aus den Vorsorgeterminen – war es doch eine der wenigen Stunden, die ich mich einzig und allein um mich und mein Baby gekümmert habe.
Am Ende der Schwangerschaft machte ich alle Vorsorgen im Geburtshaus, bekam Akupunktur und erhielt alle wichtigen Informationen im Bereich „ambulante Geburt“. Dies empfand ich als sehr hilfreich, denn auch im Fall der Verlegung in ein Krankenhaus bei der Geburt wollte ich ambulant entbinden und direkt danach zu meiner Familie heimkehren.
Mein Entbindungstermin war Mitte September und als dieser erreicht war, bin ich nochmal zum Ultraschall und CTG zu meiner Frauenärztin gefahren – diese sagte mit einem Blick auf das CTG: „Sehr unregelmäßig, keine Kontraktionen“, sodass sie nicht damit rechnen würde, dass es dieses Wochenende losgeht. In mir wehrte sich alles gegen die Aussage, denn ich spürte die Kontraktionen immer wieder und merkte, dass es anders war als meine Vorwehen.
Abends gingen wir als Familie noch zu einem libanesischen Imbiss und aßen und zufällig schaute ich immer wieder auf die Uhr, wenn ich merkte, dass mein Bauch sich zusammenzog – 10 min., 8 min., 12 min…. alles sehr weit entfernt von schmerzhaften und regelmäßigen Wehen. Wir gingen dann zu Bett und ich wurde nachts um 3 Uhr dann von regelmäßigeren Kontraktionen geweckt, die auch langsam etwas stärker zogen. Ich zog dann ins Wohnzimmer um, damit ich in Ruhe rumspazieren konnte. Mein Mann und mein Sohn schliefen bis ca. 6 Uhr, meine Wehen wurden stärker und regelmäßiger. Mein Mann brachte unseren Sohn in die KiTa und ich rief die diensthabende Hebamme an – um ca. halb acht waren wir dann im Geburtshaus mit Bea verabredet. Dort angekommen blickte sie mich an und sagte: „Ach, du siehst aber noch entspannt aus“. Und ja, mit den Wehen kam ich gut klar, trotzdem brachte mich das kurz aus der Fassung und ich hatte Bedenken, dass ich sie jetzt umsonst geweckt habe. Nach der ersten Untersuchung und dem ersten Ankommen, stellte sich aber raus, dass die Geburt losging und der Muttermund sich auf 3- 4 cm geöffnet hatte. Um die Wehen wieder richtig in Fahrt zu bekommen (sie hatten etwas abgenommen auf der Autofahrt) sollte ich mich im Raum bewegen und bescheid geben, wenn ich etwas brauchen würde. Nun war auch Kathrin da, die als zweite Hebamme die Geburt betreuen würde. Auch eine Schwesternschülerin war dazu gerufen worden – anscheinend gingen alle davon aus, dass das eine fixe zweite Geburt wird.
Doch die Wehen wollten nicht länger und vor allem im kürzeren Abstand kommen, sodass wir gegen 17 Uhr nochmal nachschauten und einen Befund von ca. 5 cm hatten – das war sehr frustrierend und mein Mann und ich entschieden nochmal nach Hause zu fahren. Ich hatte das Gefühl, dass ich zuhause gerade besser aufgehoben war. Kathrin und Bea waren einverstanden, unter der Voraussetzung, dass ich sofort anrufe und komme wenn sich die Wehen verändern. Dies war für mich in Ordnung – und insgeheim dachte ich „naja, vielleicht kommt es ja dann auch zuhause, mal gucken“. Dies zeigt mir im Nachhinein wie überzeugt ich davon bin und war, dass mein Körper schon weiß was zu tun ist.
Zuhause angekommen legte ich mich nur ins Bett, schlief ein paar Minuten, sprang dann in den Vierfüßler, veratmete eine Wehe und legte mich wieder hin. Um 3 Uhr nachts weckte ich meinen Mann und sagte, es verändert sich! Bea hatte im Geburtshaus übernachtet und ich rief sie an, dass wir kommen. Angekommen wollte ich unbedingt meine eigene Bettdecke mit in den rosa Raum nehmen – Bea meinte zwar, sie hätten Decken da, die dreckig werden dürfen – aber irgendwie war mir diese Decke verdammt wichtig in dem Moment. Ohne diese wollte ich nicht aus dem Auto steigen. Nach der Untersuchung merkte ich nur, wie Bea sich ihr Handy schnappte und Kathrin anrief: „8 cm, beeil dich, der Kopf sitzt tief, Blase ist intakt, ich weiß nicht ob du es noch schaffst“.
Doch auch diesmal machten uns die Wehen wieder einen Strich durch die Rechnung – wie auf Kommando wurden diese schwächer und weniger. Wir waren alle frustriert und ich hatte Hunger. Frühs um 6 Uhr saß ich also auf dem Bett im rosa Raum und aß die kalte Pizza von gestern Abend und murrte frustriert vor mich her. Es gilt ja der bekannte Satz „unter der Geburt hat man keinen Hunger“ – ich schon. Ich merkte, dass ich Energie brauchte und dies tat gut. So langsam wurden die Wehen stärker, die Sonne ging auf und nach einigen weiteren Stunden Wehentätigkeit war die Diagnose „Muttermund fast verstrichen, nur noch ein kleiner Saum“. Meine Fruchtblase war aber noch intakt und wie bei meinem Sohn wollte und wollte diese einfach nicht platzen. In all diesen Stunden ging es meinem Baby hervorragend – immer wieder wurden die Herztöne gemessen und es hatte keinen Stress. Dies gab mir die Kraft weiterzumachen. Um ca. 9 Uhr kamen Bea und Kathrin rein und meinten, dass sie jetzt die Fruchtblase öffnen würden. Dies machen sie nur ganz selten und ungerne, aber die Geburt stand still und es lag höchst wahrscheinlich an dem Volumen des Fruchtwassers. Gesagt – getan (kannte ich auch von meinem Sohn) und tut gar nicht weh. Nur die Wehen die dann kamen, nahmen mir fast den Atem. Die kommende halbe Stunde war fast unerträglich und ich bettelte um eine PDA und um die Verlegung ins Krankenhaus, bis Bea mich in einer Wehenpause wieder gefühlt auf die Erde brachte und meinte, dass dies jetzt dazu gehöre, ich solle versuchen mit den Wehen zu arbeiten und nicht dagegen. Diese sehr deutliche Ansprache kam bei an – besser als sehr liebe Worte. Man muss dazu sagen, dass Kathrin wohl schon die Papiere zur Verlegung geschrieben hatte, denn ich wollte unbedingt eine PDA – jetzt und sofort!
Doch dann auf einmal war der Saum weg und die Austreibungsphase begann. Ich merkte dies und Bea fragte mich: „Willst du das jetzt hier machen oder doch ins Krankenhaus?“ – ich hatte immer die Wahlmöglichkeit. Doch ich wusste auch schon von meinem Sohn, dass die Austreibungsphase für mich machbar ist und wollte dann unbedingt dableiben. Leider wurden meine Wehen im Stehen und Sitzen immer wieder schwächer, weswegen wir uns doch für eine Geburt im Liegen entscheiden mussten. 15 min. später war das Baby dann da und schrie. Ich nahm es sofort auf die Brust, schaute meinen Mann an und sagte: „Hey, wir haben es geschafft!“ Erst danach realisierten wir, dass wir noch gar nicht wissen, was es nun ist. Dann schauten wir nach und ich bemerkte, dass wir nun eine Tochter haben!
Nach der Plazentageburt wurden wir drei in den anderen Geburtsraum verlegt, durften dort frühstücken und uns ausruhen. Nach knapp drei Stunden und einer gründlichen Untersuchung holte mein Mann die Babyschale und wir durften nach Hause fahren. Dort angekommen legte ich mich ins Bett und war so voller Glück und Stolz auf unser Baby und auf die Geburt.
Abends besuchte uns Bea nochmal, schaute nach unserer Tochter und meinem Zustand. Im Vergleich zu meiner ersten Geburt fühlte ich mich wie das blühende Leben und hatte gefühlt Energie für 10. Die Tage darauf besucht uns immer wieder Bea und ich hatte immer das Gefühl gut zuhause aufgehoben zu sein. Bei Fragen hätte ich immer anrufen können und ich vermisste nicht die Betreuung im Krankenhaus, die ich bei der ersten Geburt hatte. Nach ein paar Tagen kam dann Miriam, meine Nachsorgehebamme, die mir mit ihrer ruhigen und besonnenen Art immer das Gefühl gab, dass es meinem Baby und mir gut geht.
Schlussendlich kann ich sagen, dass ich meine Entscheidung für eine außerklinische Geburt im Geburtshaus nicht bereue. Ich hatte wirklich immer das Gefühl SICHER zu sein – davor hatte ich vorher etwas Bedenken, also dass ich mich während der Geburt dann unsicher fühle. Natürlich hätte ich mir gewünscht, dass es etwas schneller und nicht so frustrierend (auf Grund der unregelmäßigen Wehen) stattfinden würde, aber im Krankenhaus hätte ich mit diesem Befund sicher wieder eine hoch invasive Geburt erlebt. Auch würde ich mich immer wieder für eine außerklinische Geburt entscheiden – ob im Geburtshaus oder dann doch in den eigenen Wänden mit den Hebammen, steht auf einem anderen Blatt.
Ich möchte mich so herzlich bei euch allen bedanken!
Und für alle Mamas und Papas, die noch vor der Entscheidung für oder gegen das Geburtshaus stehen, möchte ich gerne sagen: Schaut euch das Geburtshaus an, sprecht mit den Hebammen, lasst euch das Gefühl vermitteln, dass die Geburt etwas Natürliches und Sicheres sein kann. Bekommt einen Eindruck vom Geburtshaus und der Arbeit der Hebammen – verlieren kann man dabei nichts. Und dann entscheidet euch für EUREN Geburtsort – egal wo er liegt.
Mama von N.